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Infotexte Informationen

Vielfaltsprodukte – was ist damit gemeint?

Mit Vielfaltsprodukten meinen wir solche Produkte, die aus einer seltenen/alten/Land-Sorte oder einer gefährdeten einheimischen Nutztierrasse entstanden sind. 


Vielfaltsprodukte können Produkte von alten Sorten sein wie Saatgut, Gemüse, Brot, Nudeln, Saft oder Getreide. Für Nutztiere können Vielfaltsprodukte als Wurst/Fleisch, Käse/Milchprodukte, Wolle/Wollerzeugnisse erworben werden.
Bei den Fischen sind es zum Beispiel die Karpfen aus traditioneller Teichwirtschaft wie in Bayern und in Sachsen. 
 

Wichtig bei diesen Vielfaltsprodukten ist es, dass sich klar erkennen lässt, dass es ein Produkt einer alten Sorte oder einer gefährdeten Rasse ist. Wenn die Rasse/Sorte nicht gekennzeichnet ist, kann es vorkommen, dass das Produkt nicht als ein Vielfaltprodukt erkennbar ist. 
Daher ist eine klare Kennzeichnung als  „Vielfaltsprodukt“ sinnvoll, indem es entsprechend als Produkt einer alten Sorte/gefährdeten Rasse ausgewiesen wird. 
 

Was ist eine Rasse?

Eine Nutztierrasse ist eine gezielt gezüchtete Gruppe von Haus- oder Hoftieren wie Rindern, Hühner, Schweinen oder Schafen. Über viele Generationen wurden die Rassen so entwickelt, dass sie dem Menschen nützen – etwa durch ihr Milch, Fleisch, Eier oder Wolle. Dafür hat jede Rasse besondere Eigenschaften: manche liefern besonders viel Milch, manche sind besonders fruchtbar, andere kommen gut mit kargem Futter aus und wiederum andere waren gut als Zugtiere. 
 

 

Was ist eine gefährdete Rasse?

Alle einheimischen Rassen werden in der Broschüre „Einheimische Nutztierrassen in Deutschland und Rote Liste gefährdeter Nutztierrassen“ mit Rasseportraits vorgestellt. Auf der Grundlage der alle zwei Jahre aktualisierten Bestandszahlen von männlichen und weiblichen Zuchttieren jeder Rasse entscheidet der Fachbeirat für tiergenetische Ressourcen des BMLEH über den Gefährdungsgrad einer Rasse. Je weniger Zuchttiere, desto eher sind sehr enge Verwandtschaftsverhältnisse möglich, die mit negativen Folgen wie Erbkrankheiten einhergehen können. Eine Rasse ist umso gefährdeter, je weniger Zuchttiere gehalten werden.

Bei den Nutztierrassen unterscheiden wir zwischen den Großtieren (unterliegen dem Tierzuchtgesetz) und den Kleintieren (Geflügel, Kaninchen). 
Die aktuelle Zahlen von 2025 für die Nutztierrassen und ihrer Gefährdung sind:
Großtiere: insgesamt 83 einheimische Rassen, davon sind 59 Rassen gefährdet.
Kleintiere: insgesamt 125 einheimische Rassen, davon sind 64 Rassen gefährdet. 
Im Detail:
 
 

 Rassen insgesamtgefährdete Rassen
Pferd2814
Esel20
Rind2115
Schwein55
Schaf2422
Ziege33
   
Hühner6135
Enten148
Gänse117
Puten54
Tauben41
Kaninchen309

Was ist eine alte Sorte?

Wir orientieren uns hier an der den Kriterien, die für die Rote Liste der Nutzpflanzen gelten. Die Kriterien für eine Aufnahme auf diese Liste sind: 

  • einheimisch (d. h. lokal/regional angepasst oder eine alte deutsche Sorte/Landsorte bzw.
  • mit soziokulturellem Bezug zu Deutschland)
  • gefährdet (geringes bis kein aktuelles Vorkommen in-situ/on-farm)
  • bedeutend (historisch/kulturell oder mit Entwicklungspotential für die Züchtung)
  • ohne Sortenschutz und ohne Sortenzulassung (seit zwei Jahren erloschen)

Bei Pflanzen gibt es noch eine besondere Kategorie: die Erhaltungssorten. Erhaltungssorten sind alte Sorten, die offiziell als Erhaltungssorten registriert sind. Saatgut dieser Sorten darf offiziell verkauft werden. https://www.bundessortenamt.de/bsa/media/Files/P2_Faltblatt_Erhaltungssorten.pdf

Warum diese Vielfalt erhalten?

Wir zitieren hier aus der Nationalen Strategie zu den Genetischen Ressourcen, die 2024 vom Bundeslandwirtschaftsministerium veröffentlicht wurde:

"Klimakrise, Artensterben, zunehmende Verschmutzung und zu hoher Ressourcenverbrauch gefährden unsere natürlichen Lebensgrundlagen und damit auch unsere Ernährungssicherheit. Für diese Krisen müssen wir Lösungswege beschreiten und gleichzeitig das Recht auf Nahrung weltweit verwirklichen. Diese Aufgaben gehören zu den wohl drängendsten unserer Zeit. Die Vielfalt der Nutzpflanzen und Nutztiere, der Gehölze im Wald und der Fische und weiteren Arten in den Ge wässern sind als genetische Ressourcen ein Teil der biologischen Vielfalt. Sie sind der Grundbaustein für die Versorgung einer wachsenden Weltbevölkerung mit Nahrungsmitteln und mit nachwachsenden Rohstoffen.
 

Diese Vielfalt ist unentbehrlich für die notwendigen Anpassungen an den Klimawandel, für die Stabilität der Agrar- und Ernährungssysteme, die Förderung regionaler Identität und eine Chance für nachhaltige, regionale Wertschöpfungsketten. Sie ist zudem die Basis für Züchtung und Innovationen für die landwirtschaftliche Produktion, für den klimaangepassten Waldumbau und für die nachhaltige Bewirtschaftung unserer Gewässer."
 

Die Vielfalt der Sorten und Rassen ist über die Jahrtausende entstanden. die Landwirtschaft hat sich die Nutzpflanzen und Nutztiere an die Standortbedingungen und an die Bedürfnisse der Lebenswelten angepasst. Mit der Modernisierung und Spezialisierung in Landwirtschaft, Verarbeitung und Handel sind viele der früher typischen Sorten und Rassen heute selten geworden, manche gar vom Aussterben bedroht. Auch wenn viele der alten Sorten und Rassen in puncto Leistung mit den modernen nicht mithalten können, so punkten sie dennoch in vielerlei Hinsicht: 

  • Als regionale Spezialität wie Käse von der Thüringer Waldziege, da die Ziegen besonders gut mit dem rauen Klima und dem kargen Futterangebot zurecht kommt
  • Als Naturlandschafts-Pflege-Spezialität wie die Heidschnucken, die die Lüneburger so beweiden, dass sie als Heidelandschaft erhalten bleibt
  • Als besonderes Geschmackserlebnis wie die Rote Sternrenette mit ihrem ganz besonderen Aroma
  • Als Dauerbrenner für Hobbygärtner, sind Gemüseorten, die über einen langen Zeitraum geerntet werden können. 

 

 

Warum sind Vielfaltsprodukte teurer?

So unterschiedlich die Vielfalt der Sorten und Rassen auch sind, etwas pauschal aber im Kern meistens richtig ist dies: 

Sie können im puncto Leistung/Ertrag in der Regel mit den modernen Sorten/Rassen nicht mithalten. Den Betrieben entstehen daher Verluste durch weniger Ertrag. 

Bei den Sorten kommen dann noch andere, für den Betrieb erschwerende Faktoren hinzu: nicht geeignet für die maschinelle Ernte/Verarbeitungsprozesse, z.B. bei den Kartoffeln, die durch ihre Form durch die klassische Sortiersiebe fallen. 

Andere Eigenschaften, wie z.B. eingeschränkte Lager/Transportfähigkeit erschweren das Handling auf dem Betrieb. 

Bei Tieren und Pflanzen gleichermaßen gilt, dass diese häufig nur in kleineren Mengen verfügbar sind/angeboten werden. Bei verarbeiteten Produkten sind es kleine Produktionschargen, die den Prozess aufwändig/teuer machen. 

Vielfalt macht Arbeit…eine große Vielfalt an Sorten /Rassen anzubieten, ist in allen Prozessen aufwändiger als wenige Sorten/Rassen zu handlen. 

Und nicht zuletzt -und hier liegt eine große Herausforderung- muss die Besonderheit/der Wert eines Vielfaltsprodukts kommuniziert werden. 

Warum gibt es kaum Vielfaltsprodukte im normalen Lebensmitteleinzelhandel?

Aus unterschiedlichen Gründen sind die meisten dieser Vielfaltsprodukte nicht im klassischen Lebensmittelgeschäft zu finden. Allein die schiere Anzahl der Sorten würde die Logistik des Handels überfordern. Manch eine dieser Sorten ist auch gar nicht über weite Strecken transportfähig. Oft ist auch einfach nicht genug Menge vorhanden, oder die Produkte sind nicht immer verfügbar. 

Bei tierischen Produkten kommt neben der logistischen Herausforderung noch die Qualitätssicherung, die hohen Ansprüche, die der Lebensmitteleinzelhandel an insbesondere die tierischen Produkte stellt. 

Einige Projekte haben sich genau dieser Frage gestellt, und Möglichkeiten eruiert, wie beispielsweise selten Sorten über Naturkostläden oder produkte gefährdeter Rassen in der Gastronomie vertrieben werden können. Eine der größten Herausforderungen ist es, den Wert und die besondere Bedeutung des Produkts zu kommunizieren. 

Die Vielfalt ist gefährdet – darf ich sie überhaupt essen?

Und noch etwas: Vielleicht denkst du gerade auch, dass man auf keinen Fall seltene Sorten oder Rassen essen darf. Weit gefehlt. Anders als bei Wildpflanzen und Wildtieren, die ihre Ruhe brauchen, ist es bei den Sorten und Rassen umso wichtiger, dass sie genutzt werden. Denn nur das, was die Bäuerinnen auch verkaufen können werden sie auf ihrem Hof nutzen. Auch wenn es paradox klingen mag, so ist es doch richtig: Erhalten durch Aufessen. 

Ich habe einen Betrieb und interessiere mich für eine gefährdete Rasse oder alte Sorte – was tun?

Bei Interesse für eine gefährdete Rasse:

Einen Überblick über alle einheimischen gefährdeten Rassen bietet die Rote Liste Nutztiere. dort sind alle Rassen mit ihren Eigenschaften, ihrem Verbreitungsgebiet und ihrer Historie beschrieben. Darüber hinasugehende Informationen zu gefährdten Rassen gibt es z.B. auch auf den Seiten der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH

Wenn schon eine konkrete Rasse in Frage kommt, dann bietet die Datenbank TGRDEU   Informationen, von welchen Zuchtverbänden die Rasse betreut wird. Mit dem entsprechenden Zuchtverband kann das weitere Vorgehen besprochen werden. Zur Vermittlung  von Zuchttieren, Ansprechperson empfiehlt sich auch der Kontakt zur GEH. Kontaktperson wären hier die Rasse-/Tierartkoordinatoren.  

 
Bei Interesse für eine alte Sorte: 

Es gibt keine bundesweite Übersicht alter Sorten. Die Rote Liste Nutzpflanzen listet über 2.600 Einträge von Nutzpflanzen. 

Es gibt eingie bundesweite Akteure, die bei Fragen ggf. weiterhelfen können:

Der Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen, kurz VERN e.V.. Der VERN e.V. erhält ca. 2.000 alte Nutzpflanzensorten und hält sie für die Allgemeinheit einfach zugänglich. Er erhält zudem das Wissen über den Anbau, den Umgang und die Nutzung der Kulturpflanzen.

Der VERN bietet mit dem Getreidenetzwerk umfangreiche Informationen zu alten Getreide/landsorten. 

Der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt VEN e.V. richtet sich in erster Linie an Hobbygärtner/innen. Schwerpunkt sind Gemüsesorten.

Darüber hinaus gibt es regionale Akteure, die sich mit alten Sorten befassen. Das können wie z.b. das Kompetenzzentrum Ernährung in Byern mit der die Schatzbewahrerinitiative , Erhaltungszentrum NRW für alte Sorten bei der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, ausgewählte Freilichtmuseen, wie Detmold oder Beuren. Biosphärenreservate, Genussregionaen können ebenfalls ggf. weiterhelfen und Kontakte vermitteln. Auf den Bundesländer-Seiten dieser Inspirationsplattform “Vielfaltsprodukte” haben wir einige dieser Akteure zusammen gestellt. 

In der Arche des Geschmacks von Slow Food finden sich einige seltene Sorten und gefährdete Rassen. Zu diesen gibt es umfangreiche Inforamtionen und Kontakt zu Produzenten. 

 

Was kann ich für die Vielfalt tun?

Als Verbraucher/in können wir dazu beitragen, die Sorten- und Rassenvielfalt in der Landwirtschaft zu fördern:

  • Augen offenhalten und nach besonderen Sorten schauen. Auf Pflanzenmärkten und auf Wochenmärkten oder beim Direktvermarkter gibt es so manche Sortenschätze.
  • Im eigenen Garten: Viele Baumschulen bieten regionale/seltenen Sorten bei Obstbäumen/Obststräuchern an. Einige Saatgutanbieter haben sich auf seltene Gemüsesorten spezialisiert.
  • Wurst und Fleisch von einer bestimmten Rasse kaufen, z.B. dem Rhönschaf oder dem Bentheimer Schwein.
  • Wolle und Wollprodukte oder Lederprodukte kaufen? Gibt es auch von alten Rassen.