Lange hatten die Vertragsstaaten des Übereinkommens über die Biologische Vielfalt (CBD) um ein internationales Regelwerk gerungen: Es soll dafür sorgen, dass jedes Land souverän darüber bestimmen kann, ob und zu welchen Bedingungen Pflanzen, Tiere oder andere Lebewesen aus seinem Hoheitsgebiet entnommen und erforscht werden dürfen. Zudem soll es dazu führen, dass Nutzer mit dem Herkunftsland vertraglich regeln, wie die Gewinne, die durch Erforschung und Produktentwicklung aus den jeweiligen genetischen Ressourcen erzielt werden, aufzuteilen sind.
Die Erwartungen an das Protokoll waren insbesondere in biodiversitätsreichen Entwicklungsländern hoch. Hoffnung auf „Grünes Gold“ wurde geschürt, ebenso wie die Hoffnung, dass sich durch die Vorgaben des Nagoya-Protokolls die Nutzungskette von der genetischen Ressource zum marktreifen Produkt nachvollziehen und kontrollieren ließe.
Das Nagoya-Protokoll war Teil der für die vergangene Dekade formulierten Biodiversitätsziele für das Jahr 2020 (auch Aichi Targets genannt), die den Rahmen zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt aufspannten. Die Bilanz nach knapp über 10 Jahren fällt überwiegend kritisch aus: weder konnte der Verlust biologischer Vielfalt weltweit gestoppt werden noch sind nennenswerte Geldbeträge auf der Grundlage des Nagoya-Protokolls in Entwicklungsländer geflossen. Daher wird kritisch hinterfragt, ob das Nagoya-Protokoll einem Reality-Check noch standhält.
Der kommende UN-Biodiversitätsgipfel, der im Oktober 2021 stattfinden wird, soll daher einen neuen, ambitionierteren globalen Rahmen für die Biologische Vielfalt nach 2020 (post2020 Global Biodiversity Framework) verabschieden. Daher widmen sich derzeit viele Studien, Forschungsprojekte und Diskussionsforen weltweit der Frage, wie das angedachte Benefit-Sharing aus der Nutzung genetischer Ressourcen besser erreicht werden kann, anderseits der Zugang und die Nutzung der biologischen Vielfalt in dringend benötigter Forschung und Züchtung nicht durch die Regelungen behindert werden.
Innerhalb der UN-Verhandlungen ist ein weiteres Thema zur Nutzung genetischer Ressourcen in den Fokus gerückt. Dank des biotechnologischen Fortschritts und der Fülle an online verfügbaren Daten über Gensequenzen („digital sequence information“, DSI), ist es möglich, riesige Datenmengen unzähliger genetischer Ressourcen weltweit zu vergleichen und daraus Erkenntnisse zu gewinnen. Dies ermöglicht die Entwicklung von Produkten zunehmend auch ohne Zugang zu physischen Ressourcen. So steht bei den UN-Verhandlungen über genetische Ressourcen einerseits die Forderung nach einem Regelungsinstrument für DSI im Raum. Andererseits ist der offene Zugang zu DSI für wissenschaftlichen Fortschritt und internationale Zusammenarbeit angesichts der aktuellen globalen Herausforderungen unabdingbar.