Als seltene gelten solche Baumarten, die einen Anteil von weniger als 1 Prozent an der Waldfläche Deutschlands einnehmen. Oft sind sie auch in ihrem Bestand gefährdet, vor allem an den Randgebieten der natürlichen Verbreitung. Seltene Baumarten tragen zum Erhalt der biologischen Vielfalt bei und erfüllen somit wichtige ökologische und ökonomische Funktionen in unseren Wäldern. Dies wird gerade im Hinblick auf die globalen Herausforderungen wie Klimawandel und nachhaltigem Wirtschaften immer bedeutender. Um die Gefährdung seltener Baumarten abzuschätzen und geeignete Erhaltungsmaßnahmen durchführen zu können, müssen ihre Verbreitung und Vorkommensschwerpunkte bekannt sein.
Erfassung seltener Baumarten in Deutschland
Bisher fehlten bundesweit genaue Angaben zur Lage und Populationsgröße von Vorkommen seltener Baumarten sowie über deren Vitalitätszustand, Altersstruktur und genetische Diversität. Hierzu hat die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in den Jahren 2009 bis 2012 mittels einer einheitlichen Erhebungsmethode seltene Waldbaumarten in Deutschland erfassen, phänotypisch und genotypisch charakterisieren und bewerten lassen. Diese Erfassung bildet die Grundlage für gezielte Erhaltungsmaßnahmen dieser wertvollen forstgenetischen Ressourcen.
Bei dieser Erhebung wurden die folgenden heimischen Baumarten bundesweit erfasst: Eibe, Elsbeere, Feld-Ahorn, Flaum-Eiche, Gemeine Trauben-Kirsche, Grün-Erle, Grau-Erle, Speierling, Wild-Apfel und Wild-Birne.
Zuvor hatte das BMEL bereits die Bestände der Schwarz-Pappel und der drei heimischen Ulmen-Arten - Berg-Ulme, Flatter-Ulme und Feld-Ulme - mit einer ähnlichen und bundeseinheitlichen Erhebungsmethode erfassen lassen.
Die Ergebnisse sollen eine geeignete Grundlage für die Auswahl von erhaltungswürdigen und erhaltungsfähigen Beständen, sowie für die Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen sein. Deswegen wurden Einzelbäume und kleinere Vorkommen mit weniger als 5 Individuen sowie Pflanzungen in Parks, Gärten und Friedhöfen nicht erfasst. Eine weitere Voraussetzung war, dass sich ein Vorkommen (mind. 5 Individuen) von der nächsten artgleichen Population durch einen Mindestabstand von 1000 Metern abgrenzt. Dementsprechend wurden im Rahmen der Erfassung nur solche Vorkommen berücksichtigt, die diese Kriterien erfüllen. Aus den unter anderem erfassten Parametern wie Baumanzahl, Alter und Vitalität wurden wichtige Populationsparameter wie Abundanz, Altersstruktur und durchschnittliche Vitalität einer Population abgeleitet. Detailergebnisse für die zwölf Baumarten werden bis auf Wuchsgebietsebene in den Abschlussberichten wiedergegeben.
Erhaltung von forstlichen Genressourcen in Deutschland
Seit mehr als 35 Jahre koordiniert die Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Forstliche Genressourcen und Forstsaatgutrecht" (BLAG-FGR) auf Basis des Nationalen Fachprogramms ("Forstliche Genressourcen in Deutschland") und im Auftrag der Waldbaureferenten des Bundes und der Länder, die Maßnahmen zu deren Erhaltung und nachhaltigen Nutzung. Diese haben zum Ziel, die Vielfalt der Arten und die Vielfalt innerhalb von Baum- und Straucharten zu erhalten, sie nachhaltig zu nutzen, lebensfähige Populationen gefährdeter Baum- und Straucharten wiederherzustellen sowie einen Beitrag zur Erhaltung und Wiederherstellung vielfältiger Waldökosysteme zu leisten.
Projekte zu seltenen Baumarten
Das Projekt Erhalt seltener Baumarten und deren Genetik der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg ist auf der Suche nach potenziellen Erntebeständen. Im Rahmen des 2020-2022 laufenden Projekts werden die seltenen Baumarten Feld-Ahorn (Acer campestre), Eibe (Taxus baccata), Speierling (Sorbus domestica), Elsbeere (Sorbus terminalis) und Flatter-Ulme (Ulmus laevis), die unter anderem für den Erhalt der Biodiversität von hoher Bedeutung sind, untersucht.
Ebenfalls auf der oben genannten Erfassung aufbauend ist das folgende, vom bayerischen Kuratorium für forstliche Forschung finanzierte Projekt: Erarbeitung von Herkunftsempfehlungen und Verbesserung der Erntebasis für die vier seltenen Baumarten in Bayern auf genetischer Grundlage.
Bearbeitet wird das Projekt vom Bayerischen Amt für Waldgenetik in Teisendorf und schafft Grundlagen für die Nutzung seltener Baumarten und Erhalt der Biodiversität in Bayerns Wäldern.
Weitere Erkenntnisse lieferte z.B. auch das Waldklimafondprojekt SILVITI zur Förderung seltener Baumarten, gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Projektziel war die Förderung der teilweise sehr seltenen Laubbaumarten Elsbeere, Speierling, Mehlbeere, Feld-Ahorn, Französischer Ahorn, Wild-Apfel und Wild-Birne im ursprünglichen Verbreitungsgebiet unter Erhöhung der biologischen Vielfalt und der Erhaltung forstgenetischer Ressourcen.